Was in den 90ern „Basic Instinct“ und in den 2010er Jahren die „Fifty Shades of Grey“ Filme waren, war in den 80ern „9 1/2 Wochen“: DER Erotikfilm, der auch beim Gesamtpublikum ein großer Erfolg war.
„9 1/2 Wochen“ kam 1986 in die Kinos und war damals ein kommerzieller Erfolg. Zwar blieb er weit hinter dem Einspielergebnis des erfolgreichsten Films des Jahres, „Top Gun“ zurück, spielte aber mehr ein, als der im selben Jahr erschienene „Highlander“. Wobei der Erotikfilm international in einer ungeschnittenen Version erfolgreicher war, als in den USA.
Heute ist der Film vielleicht am berühmtesten dafür, dass wegen der Szene, in der Kim Basinger zu „You Can Leave Your Hat On“ stript, seit 40 Jahren Menschen zu diesem Joe Cocker-Hit strippen.
Ich hatte den Film als junger Mann irgendwann in den 80ern gesehen und nur eine sehr schemenhafte Erinnerung daran. Erwartet habe ich einen typischen Film, den man damals „heiß“ fand, den man aber heute vermutlich nicht mehr anschauen kann. So einfach war es dann aber nicht.
Doch zuerst eine kurze Zusammenfassung: Elizabeth arbeitet in einer New Yorker Galerie und trifft irgendwann zufällig John Gray. Sie beginnen zu daten und dann schnell ein hitzige, aber wie der Titel des Films verrät, kurzlebige Affäre. Dabei ist John eindeutig in der dominanten Rolle und spielt, sich immer mehr steigernde BDSM-Spiele mit der bis dahin unerfahrenen Elizabeth. Dabei verrät er ihr aber kaum etwas über sich und so steigert sich bei ihr immer mehr das Gefühl, dass die Affäre ihr am Ende nicht guttut.
Ich hatte wie gesagt Schlimmes erwartet und vielleicht bin ich daher in meiner Beurteilung milde gestimmt. Ich meine, der Film ist fast 40 Jahre alt und heute gehen Filme wie „365 Tage“, die aus meiner Sicht mindestens fragwürdig sind, durch und werden wenig hinterfragt. Was soll ich da von einem Film aus dem Jahr 1986 erwarten?
Sagen wir es, wie es ist: der Film ist in weiten Teilen einfach wirklich heiß. Vor allem, wenn man auf BDSM steht. John etabliert schon beim ersten Date ein Machtgefälle, als er Elizabeth im Restaurant füttert und dann vor ihren Augen auf dem Hausboot demonstrativ das Bett bezieht. Sie sagt darauf auch sehr klar, dass er ganz schön zuversichtlich sei. Dann aber, sagt sie, sie wolle gehen und er lässt sie offenbar anstandslos gehen. Keine Gefangennahme oder ein „Du willst es doch auch“. Das habe ich schon schlimmer gesehen.
Es folgen wirklich reihenweise Szenen, die gerade für BDSM-Menschen sehr heiß sein dürften. Er schenkt ihr eine Uhr, gibt ihr dabei aber gleichzeitig auf, sie solle jeden Tag um 12 Uhr darauf schauen und daran denken, wie er sie berühre. Er lässt sie in seiner Wohnung alleine auf ihn warten, um dann anzurufen, sie damit dabei zu ertappen, wie sie in seinen Sachen gestöbert hat und beim Heimkommen zu sagen, sie sei ein „böses Mädchen“ gewesen und sie zu bestrafen.
In einer Szene kauft er ihr etwas und sie fragt, ob er denn nicht wissen wolle, was ihr gefalle, worauf er nur „Nein“ antwortet. Später kämmt er sie in einer Szene und sie fragt ihn, warum er sich so gut um sie kümmere.
Ja, ich bin mir sehr bewusst, wie wahnsinnig problematisch das alles in einem Kontext klingt, in dem womöglich kein Consent zwischen den beiden Menschen herrscht. Aber das ist genau mein Punkt. Das Einzige, was diesem Film zu einem fantastischen BDSM-Märchen fehlt, ist der Consent. Consent ist aber das Wichtigste im BDSM überhaupt. Ohne Consent kein BDSM.
Wie ich den Film aber sehe und verstehe, macht John das nicht aus böser Absicht. Immer, wenn Elizabeth sagt, sie will nicht mehr, hört er auf. Er lässt sie anstandslos vom Hausboot gehen und ihre Affäre beginnt danach erst. Er lässt sie (SPOILER!) auch am Ende gehen und wünscht sich nur verzweifelt, dass sie zurückkommt.
John ist ein Mann, dem die Worte und das Verständnis für das fehlen, was sein Handeln völlig legitim machen würde. Er müsste seine potenzielle Partnerin vorher fragen, ob sie solche Spiele mag. Dann wäre alles, was er tut, völlig in Ordnung. Er zieht seine Lust auch nicht aus der Konstellation heraus, dass sie es nicht mag. Im Gegenteil vergewissert er sich mehrfach im Film, dass es ihr gefällt.
Elizabeth wiederum ist eine Frau, die mit großer Sicherheit Ja gesagt hätte, hätte John ihr gesagt, worauf er steht. Denn Elizabeth entflammt vollkommen und ist ganz offensichtlich begeistert von den gemeinsamen Spielen. John und sie hätten also ein glückliches Paar werden können.
Was beide am Ende auseinanderbringt, sind nicht die BDSM-Spiele, ist nicht der fehlende Consent. Es ist Johns Unfähigkeit, sich zu öffnen und echte Intimität und Nähe zuzulassen. Elizabeth will wissen, wer er ist, will ihm nahe sein und John kann das nicht. Deswegen verlässt sie ihn.
Erst, als sie seine Wohnung verlässt und er ihr nachschaut, kann er sagen „Ich liebe dich, bitte komm zurück“. Aber da ist es zu spät.
Ich denke, es ist leicht, aus John Gray einen Bösewicht zu machen. Ich finde aber, er ist keiner. Er hat, wie sein Fast-Namensvetter Christian Grey seine Probleme, aber ist wesentlich weniger Opfer und schon gar nicht Täter im Kontext seiner Story.
Apropos Gray oder Grey. Können wir das mal ansprechen? Der männliche Protagonist im 1986 erschienenen „9 1/2 Wochen“ heißt John Gray. Im 2002 erschienen „Secretary“ heißt er Mr. Grey und in den „Fifty Shades of Grey“ Filme dann natürlich Christian Grey. Das kann doch kein Zufall sein? Wer hat sich da von wem inspirieren lassen oder wer wollte da wem eine kleine Huldigung hinterlassen? Wenn ihr mehr dazu wisst, dann schreibt es gerne in die Kommentare.
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