Dom? Kann ich das?

Herzlichen Glückwunsch an jeden Menschen, der sich diese Frage stellt. Denn sie zeugt von Reflexion und Selbstkritik. Im BDSM-Kontext Dom zu sein ist nämlich etwas, das man nicht aus dem Ärmel schüttelt und das jede oder jeder problemlos in Perfektion abliefern könnte. Im BDSM so als Dom auftreten oder so dominant zu sein, dass auch der devote Part daraus einen Gewinn zieht, erfordert ein paar Eigenschaften und Engagement.

Ich weiß nicht mehr, wie oft ich gehört habe, dass Männer während des Datings auf die Offenbarung, die Frau sei devot, geantwortet haben, sie würden auf BDSM stehen und dass sie selbstverständlich dominant seien. Auf der anderen Seite habe ich auch oft von Frauen gehört, dass sie sich die dominante Rolle nicht zutrauen. Sich fragen, ob sie das können. Einfach aus Sorge, es nicht glaubwürdig oder für das Gegenüber befriedigend „rüberbringen“ zu können. Quasi also „was, wenn ich darin nicht gut bin und es dem Gegenüber nicht gefällt?“.

Wie so oft, liegt die Antwort in der Mitte. Die dominante Rolle im BDSM ist keine Geheimwissenschaft, die erst nach jahrzehntelangem Studium in dunklen Kerkern gemeistert werden kann. Obwohl, darüber muss ich nochmal nachdenken. Nein, Spaß beiseite. Die dominante Rolle ist aber eben auch nichts, dass jede oder jeder sofort und aus dem Bauch beherrscht und damit „abliefern“ kann.

Fangen wir mit der Frage an, warum ihr euch überhaupt fragt, ob ihr Dom sein könnt. Habt ihr von euch aus dominante Fantasien? Erregen euch in eurem Kopfkino Bilder oder Szenen, in denen ihr jemanden dominiert? Oder stellt ihr euch die Frage, weil euch jemand von der eigenen BDSM-Leidenschaft erzählt hat und ihr euch nun grübelt, ob ihr diese Rolle einnehmen könntet?

In ersten Fall besteht ein eigenes Interesse aus sich heraus an dem Thema. Das ist eine sehr wichtige Voraussetzung für eine erfüllende BDSM-Erfahrung. Im zweiten Fall scheint es so, als wärt ihr erst durch einen äußeren Impuls auf die Idee gekommen. Das bedeutet nicht, dass die Rolle nichts für euch ist. Aber dennoch würde ich vor einer realen Umsetzung dringend zu einiger Recherche und Beschäftigung mit dem Thema raten. Ihr tut sonst weder euch, vor allem aber eurem Gegenüber einen Gefallen, wenn ihr in eine Welt stolpert, ohne deren „Regeln“ und „Naturgesetze“ zu kennen.

Denn anders, als bei einer Stellung, die man noch nicht ausprobiert hat oder einem Kink, wie Sex in der Öffentlichkeit, die man einfach gemeinsam ausprobieren kann, bedarf es bei der Rolle des Doms im BDSM einiger Fähigkeiten und im Laufe der Zeit dann Erfahrungen.

Dom übernimmt für den devoten Part Verantwortung. Denn der devote Part gibt, je nach Spielart viel oder sehr viel Kontrolle an Dom ab. Dieser Verantwortung muss Dom sich im ersten Schritt bewusst sein und im zweiten Schritt muss Dom ihr gerecht werden. Darüber sind sich viele, die leichtfertig sagen „klar kann ich dich dominieren“ schlicht nicht im Klaren und scheitern dann in der Folge gerne daran.

Damit haben wir aber nur die absolute Mindestvoraussetzung für BDSM angesprochen. Seid euch bewusst, ihr übernehmt Verantwortung und seid bereit dafür!

Ein weiterer Punkt aber, in dem BDSM anders ist, als andere sexuelle Spielarten und daher die Dom-Rolle besondere Herausforderungen stellt, als andere Sexpraktiken: die Dom-Rolle braucht unbedingt und immer Initiative!

Wenn ihr eure Partnerperson oral befriedigt, dann kann diese immer mal einen Hinweis geben „mach doch mal lieber mehr das oder mehr so“. Wenn ihr gemeinsam eine neue Stellung ausprobiert oder eine Fantasie auslebt, dann ist es immer möglich, zwischendrin zu sagen „wollen wir es mal so oder so probieren“. Dadurch mag immer ein wenig sexuelle Spannung verloren gehen, aber es bleibt doch weiter heiß.

Wenn im BDSM die devote Person der dominanten Person sagen muss „könntest Du nicht mal wieder dieses oder jenes mit mir machen“ oder „mach doch mal mehr davon“, dann ist für die devote Person gefühlt 95% der sexuellen Spannung dahin. Denn genau das will die devote Person ja nicht. Sie will nicht sagen, was gemacht werden soll. Dabei ist es völlig egal, ob die devote Person das im Vorfeld initiieren oder währenddessen korrigieren muss. Der Kick, den es eigentlich geben sollte, ist meist einfach dahin.

Im Gegensatz zu „mach doch mal ein bisschen mehr so“ bei einer Sexstellung, wobei sich danach wieder fallengelassen werden kann, ist für eine devote Person, die eine dominante Person anleiten und animieren muss, der Hauptteil der Lust verloren.

Ja, aus solchen Konstellationen können mit Zeit und Geduld erfüllende BDSM-Beziehungen entstehen. Das will ich nicht ausschließen. Wenn ihr also wirklich neugierig seid und sagt, „ich hatte bisher aus mir heraus nicht die Idee, aber jetzt bin ich neugierig“, dann stürzt euch in diese neue Welt, lernt ihre „Regeln“ und „Naturgesetze“, aber seid euch bewusst, dass ihr lernt. Behauptet nicht etwas zu sein, dass ihr (noch) nicht seid, sondern bekennt euch dazu, dass ihr gerade in eine ganz neue Rolle einsteigt, statt voller Überzeugung zu behaupten „klar kann ich das“.

Aber wie bereits erwähnt: meinen Glückwunsch, dass ihr euch die Frage überhaupt stellt. Denn viel zu viele stellen sie sich nicht und sind voller Überzeugung, sie wären von Natur aus ein Dom. Quasi durch Geburt und vermeintlich „passenden“ Geschlechtsorganen.


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