BDSM als Setzkasten

Neulich fragte mich eine Leserin in einer Nachricht. „Ist das so? Gehört das zu BDSM?“

Ein Dom hatte ihr geschrieben was er bei einem Treffen mit ihr vor habe. Und sie war unsicher. Unsicher, ob das „normal“ sei. Unsicher, ob sie das mitmachen müsse, wenn sie sich entscheidet BDSM zu praktizieren. Es war nichts wahnsinnig extremes. Nur etwas, worauf er Lust hatte und sie offenkundig nicht so sehr. Aber sie fühlte eine Verpflichtung. Denn wenn das zu BDSM gehört und sie BDSM „machen will“, dann muss sie das ja wohl auch machen, oder?

Nein. Falsch. Leider einer der häufigsten Fehler was BDSM angeht. Grundsätzlich muss erst einmal niemand irgend etwas. Es gibt nirgendwo ein Handbuch, eine Steintafel, ein Gesetzbuch oder eine in Blut geschriebene heilige Botschaft in der steht: „Wenn Du Sterblicher, dich für BDSM entscheidest, dann bist Du verpflichtet folgende Dinge mit dir tun zu lassen…“.

Ihr merkt hoffentlich selber, dass das Unsinn wäre.

Ja, es gibt im BDSM viele Dinge, die als quasi Standard betrachtet werden. Aber nichts davon ist verpflichtend. Jeder macht bitte nur das mit, worauf er oder sie Lust hat. Und wenn ihr auf irgendjemanden trefft, männlich, weiblich oder irgendwas dazwischen, der sagt „Das musst Du aber machen, sonst bist Du gar nicht richtig…“, dann lest bitte erst einmal meinen Artikel „Du bist gar keine richtige Sub„, bevor wir hier weiter machen.

BDSM besteht aus vielen Teilbereichen. Das sagen schon die schönen Abkürzungen auf denen der Begriff BDSM besteht. Wer das nicht kennt, ich habe es ganz oberflächlich hier erklärt.

Aber auch die Teilbereiche wie D/s oder SM bestehen wieder aus vielen vielen Einzelteilen. Für die einen gehört etwas selbstverständlich dazu, für die anderen nicht. Alleine schon welche Praktik zu welcher Spielart von BDSM dazu gehört kann, wenn die falschen Leute aufeinander treffen, zu stundenlangen Diskussionen führen.

Das kann wahnsinnig kompliziert sein.

  • „Wenn ich auf D/s stehe, muss ich dann Aufgaben gut finden?“.
  • „Ich mag gerne geschlagen werden, muss ich aber auch den Rohrstock mögen?“
  • „Ist es ok Erniedrigung zu mögen UND sadistisch zu sein?“

Hinter all diesen Fragen steckt ein grundlegendes Missverständnis. Nämlich, dass BDSM quasi ein monolithischer Block ist. Etwas, dass es nur als Ganzes gibt. Wie ein Pay-TV Vertrag, bei dem man eigentlich nur einen Sender will, aber alle anderen im Paket mit kaufen muss. Beim Pay-TV mag das so sein. Beim BDSM nicht.

44263001.jpgBDSM ist mehr ein Setzkasten. Für die, die das nicht kennen, hier ist einer. Und nun kann man sich Vorstellen, dass in jedem der Kästchen einzelne Praktiken stehen. Natürlich gibt es quasi endlos viele Praktiken und daher endlos viele Kästchen.

Jeder der nun BDSM ausleben möchte, der kann sich beliebig bedienen. Er oder sie nimmt sich hier etwas und dort etwas und stellt sich so sein persönliches Menü zusammen. Ob das dann zusammen passt? Total egal. Wer will das beurteilen? An einem Buffet kann sich auch jeder Fleischbällchen mit Apfelkompott nehmen. Muss ja nicht dem Nachbarn schmecken, sondern nur einem selber. Und wenn der Nachbar es eklig findet, dann soll er halt weg gucken. Ähnlich ist es beim BDSM.

Und wenn ihr einen Windelfetisch habt, gleichzeitig gerne vor Pferdekutschen gespannt werdet und es euch aber auch anmacht Leuten den Arsch zu versohlen… Wo ist das Problem? Damit macht ihr nichts falsch. Das einzige Problem besteht dann darin, einen Menschen zu finden, dessen BDSM-Setzkasten sich ausreichend mit eurem ergänzt.

Wenn man sich das Thema so vorstellt, dann sollte klar sein, dass es keine Dinge gibt die man mitmachen muss. Wenn Sub unerfahren ist, dann fällt es sicher schwer sich selbstbewusst hinzustellen und zu sagen „Das gehört aber nicht zu meinem BDSM.“

Aber genau das ist der richtige Weg. Nichts mit machen, dass man ganz tief in sich drin ablehnt und nicht will. Wir reden hier nicht von den Spielen, bei denen man sich überwindet oder zu etwas „gezwungen“ werden will. Wir reden hier über die Dinge, die ihr wirklich nicht wollt.

Und natürlich gehört vor diesen Schritt und vor den Schritt, sich jemanden zu suchen, auch die Überlegung „Was will ich überhaupt?„. Sich klar machen, was einen neugierig macht, was man will und was man nicht will. Je genauer man da vorher in sich hinein gehört hat, desto besser kann man es hinterher kommunizieren.

Die Botschaft ist: es ist total ok etwas nicht mitmachen zu wollen. Lasst euch da in nichts reinquatschen, dass ihr nicht wollte.

Und es ist total ok, sich aus dem Setzkasten Dinge heraus zu picken, die für andere vielleicht nicht zusammen passen. Vielleicht lassen sich manche Vorlieben auch einfach nicht mit ein und der selben Person ausleben. Dann muss man für sich oder gemeinsam Lösungen finden. Aber das ändert nichts daran.

Und eigentlich gilt hier ein uralter Satz der immer wieder im Zusammenhang mit BDSM fällt und der auch auf die Kombination der eigenen Neigungen zutrifft: Alles kann, nichts muss.

 

11 Gedanken zu “BDSM als Setzkasten

  1. Ich mag Deinen lockeren Stil und wie Du ein Thema angehst. Der Vergleich mit dem Büffet ist sehr gut gewählt – genau so sehe ich das auch. Man kann durchaus Fleischbällchen mit Apfelmus mögen – man muss nur dazu stehen. Das ist wohl das erste, was ein Neuling lernen muss: zu dem zu stehen, was er/sie mag.

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