Der Weg zu BDSM ist oft nicht leicht

Eine meiner kürzlichen Umfragen auf Twitter hat ergeben, dass die meisten der BDSM-Liebhaber dort ihre Neigung recht früh erkannt haben.

Das ist natürlich ein Glück, denn je früher man erkennt, worauf man steht, desto eher kann man es ausleben und desto länger kann man es im Idealfall genießen.

Bei den meisten, ob Dom oder Sub, dürfte am Anfang aber erst einmal Unsicherheit gestanden haben. Die Frage an sich selbst „Was will ich da eigentlich?“ und „Darf ich das wollen?“.

Heutzutage, nach „Fifty Shades of Grey“ mag diese Gefahr zwar gesunken sein. Aber früher zumindest war BDSM noch nicht so im Mainstream angekommen und da waren diese Fragen vielleicht noch belastender. Für viele sind sie es sicher heute noch.

Meine Antwort auf beide Fragen ist naturgemäß ja. Aus meiner Sicht ist im Sex alles erlaubt, was keinem anderen einen Schaden zufügt und bei dem alle Beteiligten freiwillig mitmachen. Also spricht nichts gegen BDSM. So etwas zu wollen und durch so etwas erregt zu werden ist völlig ok.

Dann kommt vielleicht die Frage „Aber ist das nicht alles pervers?“.

Was ist denn schon pervers? Mein neuer Lieblingssatz dazu lautet: „Pervers ist es nur, wenn man niemanden mehr findet, der mitmacht.“

Der Duden definiert pervers als „als widernatürlich empfunden“. Ist BDSM heute noch widernatürlich? Es werden Hollywood-Blockbuster darüber gedreht. Noch Fragen? Also, nein, BDSM ist nicht pervers. Und wenn BDSM per Definition pervers ist, dann ist auch Homosexualität oder Analverkehr pervers. Dann ist auch das widernatürlich. Dann einigen wir uns darauf, dass wir alle pervers sind.

Grundsätzlich sollte man sich nicht von anderen beurteilen lassen. Man mag, was man mag. Wer damit nicht klarkommt, kann gehen. Die einen mögen Volksmusik, die andere Heavy Metal. Die einen den BVB, die anderen den FC Bayern. Die einen mögen Kapern, die anderen Spargel. Und die einen mögen eben BDSM oder anderen Sex. Abgesehen davon, dass man sich das mit dem BVB oder der Volksmusik aussuchen kann, hat niemand ein Urteil über das zu fällen, was man mag oder gerne tut.

Das aber für sich selber zu akzeptieren und sich selber einzugestehen, ist für viele ein großer Schritt. Der ist aber zwingend notwendig. Denn wer den Schritt nicht geht, der wird buchstäblich nicht weiter kommen.

Nach der Akzeptanz und dem Eingeständnis sich selbst gegenüber folgt der nächste große Schritt: die Wünsche und Neigungen anderen gegenüber einzugestehen. Natürlich muss man diese anderen finden. Dafür gibt es viele Möglichkeiten. Foren, Stammtische, aber auch Dienste wie eben Twitter. Dort kann man sich anonym umsehen und sich austauschen.

Da geht es noch nicht einmal darum, jemanden zu finden, mit dem man das alles womöglich ausleben kann und will. Es geht im ersten Schritt nur darum, einem anderen Menschen gegenüber einzugestehen: Darauf stehe ich.

Auch das ist für viele ein großer Schritt, der Überwindung kostet.

Noch vor dieser Phase, während dieser Phase und nach dieser Phase steht aber ein ausgesprochen wichtiger Punkt. Nämlich der, sich bewusst zu werden, was man überhaupt mag. Sich klarzumachen, was man will, was einen anmacht und was man ausleben möchte. Da gibt es Spielarten zu entdecken, Begriffe zu lernen und es gilt sich einzulesen. Vielleicht auch mal ein paar Pornos anschauen. Rein zu Recherchezwecken natürlich.

Denn ehe es aktiv losgeht, sollte man eine Ahnung von dem haben, was man eigentlich selber will. Darum soll es dann aber in einem eigenen Artikel gehen.

Für heute lautet mein Aufruf, egal an welcher Stelle dieser Entwicklung ihr gerade steht: macht euch nicht verrückt. Steht vor euch und vor ausgewählten Mitmenschen zu dem, was ihr mögt. Solange es sich an die obige Definition (kein Schade, alles freiwillig) hält, ist alles in Ordnung und erlaubt.

Und seid euch sicher, die draußen sind sehr viele und oft sehr nette Menschen, die genauso empfinden wie ihr. Versprochen.

6 Gedanken zu “Der Weg zu BDSM ist oft nicht leicht

  1. Super geschrieben, und absolut zutreffend. Leider habe ich deine Umfrage nicht gesehen, aber ich war eine spät berufene. Ich kam erst mit 40 drauf das ich devot bin, und es ausleben will. Die Neigung hatte ich sicher schon früher aber entweder wollte ich es mir selber nicht eingestehen, oder aber auch habe ich mich selbst vielleicht auch gefürchtet vor dieser Erkenntnis. Heute lebe ich es, und ich bin damit glücklich, nur hat es auch einen Nachteil-wenn ich längere nicht devot sein darf (durch Mangel an Dom), dann leide ich auch denn ich fühle mich leer. Habe auch mal darüber in meinen Blog geschrieben. BDSM ist natürlich nicht pervers, das sagen nur die Menschen die sich vor dem unbekannten fürchten. Ich finde deinen Beitrag wirklich sehr gut und spricht mir aus der Seele. Alles liebe c.

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  2. ja, mit dem BDSM ist es so eine Sache. Früh hat man viel gemacht, ohne zu wissen, was es ist und wie es heißt. Ende der 60ziger Jahre wurde die Liebe wohl freier, baer BDSM warimmer noch kein Thema. Höchstens unter der Ladentheke oder hinter der vorgehaltenen Hand machte man sich schlau. In Köln war es ganz schlimm. Mein Wissen eignete ich mir an meinem ersten Wohnsitz Berlin an. Meist amerikanische Lektüre. Dasd Lesen und Verstehen war eine Qual. Aber man kam dahinter. In Köln der brave Banker und in Berlin die Sau raus lassen. So ging es fast 20 Jahre.Dann wieder eine Vanillezeit von fast 20 Jahren, bis der Dom doch wieder so stark wurde, das er nicht mehr an die Kette zulegen war. Heute lebt man paralell. siehe meine Kommentar. Ach ja, bei aller Schreiberei, der Beitrag ist klasse und seh informativ. Es ist nicht zuergänzen.

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